„Einfach mal gepflegt die Schnauze halten“ oder vornehmer ausgedrückt: Eine kuratierte Erfahrung der schweigsamen Muße. Das war ist die Kernidee des Quiet Club, der das erst Mal am 01. Mai 2015, am Tag der Arbeit, im Humanist Lab stattgefunden hat. Viele Menschen fühlen sich überwältigt, von einem permanenten Informations- und Kommunikationsdruck, dem sie sich scheinbar nicht ohne großen Willensaufwand entziehen können. Die Zeit, wie die Gedanken rasen, denn es gibt immer noch etwas zu verpassen. Das historische Gegenbild dazu liefert der Gentleman, der nach getaner Arbeit in Amt und Würden „noch im Club“ verweilt. In ledernen Fauteuils sitzen er und andere Herren zwischen hohen Bibliotheksregalen, sie schweigen, rauchen, trinken Sherry, lesen, spielen Schach oder tun einfach: nichts.
Im Quiet Club wollen wir dieses Ideal experimentell neu beleben. Es ist eine kuratierte Erfahrung, in der wir gleichsam uns, das Schweigen und die Muße erforschen.
Das hatten wir vorbereitet:
Eine Station mit diversen Materialien und zwei zunächst geschlossenen Boxen, in denen sich Playmobil-Figuren befinden.
Sowie eine Station mit Tarot-Karten und der Erläuterung der Karten.
Da das Humanist Lab nicht besonders groß ist, besteht eigentlich immer die Herausforderung, die richtige Anzahl an Leuten für das Experiment (nicht zu wenige) und die maximale Anzahl für den Raum zu finden (nicht zu viele). Wie schon so oft, waren wir bei acht Teilnehmern als der optimalen Zahl gelandet. Bevor es losging, ergab sich hier aber auch die erste Schwierigkeit. Wir hatten die Veranstaltung bei meetup angekündigt, und der Quiet Club war sehr schnell ausgebucht. Allerdings hatten sich fast nur Leute angemeldet, die das Humanist Lab und unsere Veranstaltungen noch nicht kannten. In der Vergangenheit hatten wir eigentlich immer eher das Problem gehabt, dass Leute sich gar nicht anmelden. Dieses Mal hatten sich aber alle angemeldet, um dann kurz vor Beginn abzusagen oder sich gar nicht zu melden. Das war wirklich ärgerlich, insbesondere, da andere, die gerne gekommen wären nun nicht teilnehmen konnten. Wir überlegen, wie wir dies in Zukunft besser organisieren können. Schlussendlich waren wir jedenfalls zu viert. Wir sind dann ohne viel Tamtam und große Erklärungen in eine schweigsame Stunde gestartet.
Hier noch ein paar Bilder unseres kreativen Outputs:
Danach haben wir natürlich darüber gesprochen, womit wir welche Erfahrungen gemacht haben. Hier sind Rainers Eindrücke:
Jeder hat dazu natürlich im Einzelnen ein bisschen was anderes gesagt, aber hier mal ein Versuch der Zusammenfassung:
1. Niemand interessiert sich für Tarot.
2. Es ergibt sich sofort eine erhöhte Aufmerksamkeit. Geräusche werden schneller als störend wahrgenommen, auch wenn man sie selbst verursacht. Fremde und eigene Hektik fallen sofort auf.
3. Wenn man bisher mit dem Pinsel auf Kriegsfuß stand, wird sich dieses Gefühl auch in diesem Setting nicht plötzlich in Luft auflösen. Wenn man allerdings auch sonst nicht mit dem Pinsel auf Kriegsfuß steht, geht man noch freier an die ganze Sache ran.
4. Keiner liest die Magazine mit den Post-its. (Das finde ich tatsächlich ganz interessant: Wenn man also bei sich zuhause verhindern will, dass die Gäste die teuren Kunstfolianten mit ihren vom Kuchenfett schmierigen Fingern begrapschen, muss man einfach nur ganz viele Post-its reinkleben, die am Rand seitlich rausgucken. Meine Hypothese ist, dass der Gast dann denkt: „Ui, ganz viele Post-its. Damit der Gastgeber noch was vor! Die sind wichtig!“ Ohne Post-its wird gedacht, „Och, das sind nur irgendwelche Folianten, die liegen hier nur rum, um mich zu beeindrucken, dann darf ich darin auch herumpatschen.“ — Ich schweife ab.)
5. Die Zeit geht sehr schnell vorbei. Natürlich sind es aber auch zuviele Beschäftigungsangebote für vier Personen. Bei acht Personen hätte man auch mal auf etwas warten müssen, vielleicht nur zugucken, aber wahrscheinlich eher weggucken, denn…
6. Soweit möglich werden die anderen Personen vollständig ignoriert. Es ist gar nicht so einfach, das nicht zu tun, insbesondere wenn man sich nicht kennt. So lange es geht, wird eine Art Tunnelblick eingeschaltet, wie man ihn auch aus der U-Bahn oder Zugabteil kennt. Das wäre mit mehr Teilnehmern aber nicht möglich gewesen, weil es einen Koordinationsaufwand gegeben hätte, den wir zu viert einfach nicht hatten. Es kam die Frage auf, ob der Sessel absichtlich so stand, da man von dort aus, alle sehen konnte. (Ja, tat er.) Das schien eine eigentümlich herrschaftliche Position zu ergeben. Allerdings hing das Schild genau über dem Kopf des Sitzenden, auf dem stand, worüber der/dienige nachdenkt, was aus der anderen Perspektive auch ganz amüsant war.
7. Einer der Gäste hatte eher die Erwartung gehabt, es gehe um schweigende soziale Konfrontation. Also gemeinsam dazusitzen, zu schweigen, sich aber dabei nicht auszublenden. Das finde ich interessant. Spontan erschien es mir grausam, das zu tun. Aber wenn wir einen Weg finden, wie man genau so eine Situation herstellen kann, in der das nicht unangenehm ist, hätte man den perfekten Eisbrecher als Einstieg für die ganze Veranstaltung gefunden.
Wir haben den Quiet Club jedenfalls sehr genossen und werden das Konzept sicherlich weiterverfolgen.