Humanismus als Partei?

Humanismus als Partei? Geht das? Soll man das? Darf man überhaupt eine Partei gründen, die zwar so heißt, aber niemals alle Interessen und Ansichten aller HumanistInnen vertreten kann? So lautete vielfach das Echo auf die Gründung der Bundespartei "Partei der Humanisten" in Berlin. Das kann man alles fragen, aber noch wichtiger finde ich, es einfach auszuprobieren. Dann werden sich diese Fragen sicher schnell beantworten und wie immer werden ganz andere neue Fragen auftauchen.Noch häufiger aber hieß es sarkastisch "Das wird eh scheitern, aber viel Glück!". Eigentlich widerstrebt es mir, das hier auch noch zu wiederholen, aber ich möchte gern mal zum Ausdruck bringen, wie ätzend und unproduktiv solche Kommentare sind. Da gehen Leute los und machen was. Sie sind gewillt Zeit, Nerven und auf die eine oder andere Art und Weise auch Geld in ihre und unsere Beteiligung am politischen Prozess zu investieren, sich durch die Fallstricke der formalen Verfahren zu wurschteln und - noch herausfordernder - die Auseinandersetzung über die inhaltliche Ausrichtung produktiv zu führen. Diesen Menschen sollte man danken, man sollte ihnen die Daumen drücken, man sollte ihnen Blumen, Kuchen und starke Getränke vorbeibringen! Parteipolitik ist wahrlich kein Ponyhof, und nicht jedem ist die Geduld hierfür gegeben (mir nicht). Schon deshalb bin ich ausnahmslos jedem demokratisch eingestelltem/r Mitbürger/in dankbar, der/die sich hier engagiert.

So, nachdem das gesagt ist, zum Inhaltlichen: Wenn man sich das Leitbild und das Grundsatzprogramm anschaut, findet man eine sozialliberale Partei. Freie Wirtschaft, Förderung der Wissenschaft, Trennung von Staat und Kirche, bedingungsloses Grundeinkommen, Netzneutralität, um hier nur einige Themen zu nennen. Für manchen mag das erscheinen wie die Quadratur des Kreises, aber warum soll das nicht grundsätzlich möglich sein? Schließlich ist "sozialliberal" keine neue Idee. Natürlich kommt die eigentliche Nagelprobe erst dann, wenn es um konkrete politische Vorhaben geht, also darum, wie die politischen Grundsätze miteinander abgewogen und umgesetzt werden sollen. Wer jetzt noch begeistert ist, steigt vielleicht bei konkreten Positionen zu Umweltschutz oder Steuern wieder aus. Gut finde ich aber, dass Diskussionen auch zu emotional besetzten Themen (zumindest bisher und natürlich nur meinem Eindruck nach) sehr sachlich und ergebnisoffen geführt werden.

Allerdings fehlt mir auch etwas. Es gibt einen klaren Bezug zu Wissenschaftlichkeit, insbesondere zur Naturwissenschaft. Was überhaupt nicht vorkommt, ist ein Begriff von Kultur, von Geistes- und Sozialwissenschaften ("humanities"). Wie eine humanistische Partei ohne dies auskommen soll, ist mir tatsächlich ein Rätsel. Schließlich ist Kultur als die zweite und erweiterte Natur etwas zutiefst und spezifisch Menschliches. Genauso wie das Dilemma, das sich uns in wissenschaftlicher Hinsicht stellt: Dass wir uns selbst als Individuum, als Gesellschaft und als Menschheit nicht auf dieselbe Art betrachte können wie die Phänomene der Natur, da wir immer selbst Teil des Betrachtungsgegenstandes sind. Nun lassen viele Säkulare, Skeptiker und auch manche Humanisten diese Bereiche eben ob dieser Schwierigkeiten gerne aus. Sie verstehen sich als Materialisten (im Unterschied zum naturalistischen Weltbild) und ignorieren oder kennen die philosophischen Probleme nicht, die sich daraus zwangsläufig ergeben. Ich kann verstehen, wenn das nicht jedem und jeder auf den ersten Blick relevant erscheint. Daher ein Beispiel: Wenn die Partei der Humanisten auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse ihre Positionen zu Gesundheitspolitik, Umweltschutz, etc. formulieren will, auf welcher Basis will sie ihre Positionen zu Bildung und Erziehung, zu Familienpolitik oder zu Geschlechterfragen formulieren?

Ich bin sicher, dass diese Frage auftauchen wird, und dass man hierzu dann auch eine Position finden wird. Und mir ist auch klar, dass ich auf bestimmte philosophische Positionen sehr großen Wert lege, was die meisten Leute nicht für 5 Pfennig interessiert. Ich warte ja wie die alten Griechen immer noch auf die Herrschaft der Philosophen. Darauf kann ich vermutlich (und wahrscheinlich zum Glück) noch ziemlich lange warten. Daher wünsche ich der Partei der Humanisten viel Glück und Erfolg! Als Humanist Lab werden wir gespannt und zuversichtlich verfolgen, wie es weitergeht.